So manche beliebte einheimische Staude gehört zu den Giftträgern. Respektvoll sollte man auch vielen Gartenpflanzen begegnen, sagt der Eschenbacher Stadtapotheker Stefan G. Weidinger. Die „Giftanalyse“ des Pharmazeuten war bei einem Vortrag im Stadtcafe höchst aufschlussreich. Der Apotheker legte in diesem Zusammenhang Wert auf eine kindgerechte Pflanzenaufklärung.
Kann man mit Giftpflanzen leben? Überhaupt nicht, sagen die einen und wollen alles, was irgendwie giftige Inhaltsstoffe hat, aus der Natur verbannen. Auf Aufklärung und Vorsicht setzt dagegen Stefan G. Weidinger und weiß dabei die Verteidiger einer Pflanzenvielfalt hinter sich. „Die Dosis macht das Gift“, erklärte der Apotheker den zahlreichen Besuchern im Stadtcafe schon zu Beginn des Vortrages. Oft entscheide schon das Körpergewicht, wie stark ein Pflanzengift wirke. Messbar sei dieses Verhältnis mit dem sogenannten LD-Wert, der die Menge an Gift in Gramm pro Kilogramm ausdrücke.
Besonders den Eltern galt der Appell: „Warnen Sie ihre Kleinsten vor den Bauchwehbeeren“. Die Pflanzen, die Weidinger dann vorstellte, umfasste eine ganz Alphabets-Palette an süßen Giften bis zum verräterisch einladenden und oft vermeintlich harmlosen gesunden Gemüse. Dabei bestätigte der Fachmann Bekanntes, ergänzte Überliefertes und überraschte mit Neuem. Von der Aprikose bis zum Kaffee, vom Holunder bis zur Kartoffel reichte die Palette der Früchte und Pflanzen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, wie der Pflanzenexperte betonte.
Manche Pflanzen seien in allen Teilen, andere nur mit ihren Blüten, den Früchten, dem Kern oder der Rinde giftig, erfuhren die Zuhörer. Fast immer reagiere der Mensch mit spontanem Erbrechen als körpereigenem Schutzmechanismus. Oft genüge die Berührung des Blattwerkes, um heftige Allergien auszulösen. Für den Betroffenen sei die Ursache der Erkrankung meist unerklärlich. Weidinger empfahl deshalb allen Hobbygärtnern, bei ihrer Arbeit vorsorglich Gartenhandschuhe zu tragen. Viel stärker gefährdet seien aber Kinder, etwa beim Naschen an süßen Beeren und beim Umgang mit farbenfrohen Blütengewächsen, wenn zum Beispiel an der hochgiftigen Engelstrompete genascht werde, die Tollkirsche zum Probieren verführe oder die Gartenbohne ungekocht gegessen werde.
Wichtig war für den Apotheker, nicht über alle Pflanzen und Früchte das Schreckgespenst der Vergiftungsgefahr zu malen. So enthalte zum Beispiel nur der Kern der Aprikose Blausäure. Aber wer esse schon den Samenkern? Auch die Mandel sei mit Giftpotential belastet. Durch die Entbitterung werde sie allerdings ungefährlich und das berühmte Endprodukt Marzipan zur Köstlichkeit. Auf das Verzehr-Quantum eingehend nannte Weidinger den Kaffee- und Lakritze-Genuss als typische Beispiele über die Streitfrage der Belastungsgrenze für den Menschen. Nur in hohen Dosen sei der Coffein-Genuss verursacht durch seine Gerbstoffe gesundheitsschädlich, versicherte der Pharmazeut zur Beruhigung der meisten Besucher. Das gleiche gelte für die Lakritze. Aus der Süßholzwurzel hergestellt belaste nur der Verzehr von täglich mehreren Packungen der schwarzen Leckerei Herz und Kreislauf.
Die weiteren Ausführungen galten den Säften, Früchten, Wurzeln, Knollen, Stängeln, Blättern und Blüten zahlreicher Natur- und Gartengewächse. Die Warnungen reichten vor dem besonders giftigen Saft des Bärenklaus, dem giftigen Blauregen in allen Pflanzenteilen und den Giften in der Christrose bis hin vor den Genuss der rohen Holunderbeeren. Der Pflanzenexperte warnte zudem vor Verwechslungen, zum Beispiel von Bärlauch und Maiglöckchen. Die Standorte und Düfte seien allerdings unterschiedlich. Erstaunliches war für die Besucher auch über die Kartoffel zu vernehmen. Die wichtigste Nahrungspflanze überhaupt enthalte in der rohen Schale das leicht giftige Solanin. Aber wer esse schon die rohe Schale der Kartoffel, relativierte der Apotheker. Mit einer kleinen Pilzkunde schloss der Vortrag. Weidinger widmete sich dem Fliegenpilz. Seiner rauschhaften Wirkung hätten sich schon die alten Germanen hingegeben, wusste Weidinger.
Ausdrücklich betonte der Apotheker auch heilende Wirkungen mancher Giftpflanzen. „Vieles, was pur genossen hochgiftig ist, kann in geringer Dosis heilend sein“. So sei das Gift in Herbstzeitlosen atemlähmend. Es lindere aber richtig dosiert die Gicht. Giftigkeit sei also immer relativ, fasste der Pharmakologe zusammen und warnte vor Panikmache. Dennoch sei es ratsam, besonders zum Schutz der Kinder bestimmte Pflanzen aus dem Garten zu verbannen. Für den Ernstfall verwies Stefan Weidinger auf den Bereitschaftsdienst des Giftnotrufes und ermutigte dazu, im Zweifelsfall immer und sofort einen Arzt zu konsultieren. Die Vergiftungszentrale ist unter 089/19240 zu erreichen.